Wilde Hefe: Hefewasser

Von links: Rhabarber, Blaubeere, Erdbeere, Cranberry und Rosen Hefewasser

Selbst fermentiertes Hefewasser ist eine gute Alternative zu industriell hergestellter Hefe. Hefen gehören zu den wichtigsten Mikroorganismen – so stand fermentiertes bereits bei den Steinmenschen auf dem Speiseplan, in China wurde 7000 vor Chr. Alkohol aus Reis, Honig oder Trauben zubereitet und in den frühen Hochkulturen des mittleren Ostens wurde die alkoholische Gärung zur Herstellung von Wein und Bier sowie Backwaren genutzt. Auf diese Weise wurden Lebensmittel konserviert oder in ihrer Geschmackseigenschaft veredelt, um eine höhere Genussquallität zu erzielen.

Fermentation wird von dem lateinischen Wort fermentare abgeleitet, was so viel wie gären bedeutet. Bei der Gärung metabolisieren (verstoffwechseln) Mikroorganismen Kohlenhydrate um Energie zu gewinnen. Die Fermentation ist ein natürlicher Gärprozess, der mit Hilfe von Hefen, Bakterien und Schimmelpilzen ausgelöst wird. Diese befinden sich in ihrer natürlichen Umgebung auf Lebensmittel wie Obst und Gemüse, aber auch auf Blumen und Kräutern, in der Luft, im Wasser oder sie müssen per Hand zugeführt werden.

Die Fermentation wird unterschieden in aerobe und anaerobe Fermentation.

Bei der Aerobe Fermentation wird Sauerstoff benötigt, das bedeutet das zu fermentierende Gut ist unter ständigem Sauerstoffaustausch. Über das Gefäß wird z.B. ein Leinentuch gelegt, damit der Sauerstoffaustausch gewährleistet ist, wie bei der Herstellung von Essig.

Die anaerobe Fermentation kommt ohne extra zugeführten Sauerstoff aus und wird seit alters her zur Herstellung von alkoholischen Getränken und zum Brot backen genutzt. Die Erkenntnis das Mikroorganismen auch ohne Sauerstoff leben können und metabolisieren verdanken wie Louis Pasteur.

Blutorangen Hefewasser – schmeckt und duftet herrlich fruchtig

Unter anaeroben Bedingungen wie beim Hefewasser wandeln Bakterien und Hefen den Zucker aus den Früchten sowie den zugesetzten Zucker/Honig in Kohlenhydrate um, dabei entsteht Kohlendioxid und ein geringer Anteil an Alkohol. Die Säure senkt den ph-Wert des umgebenden Milieus und unterdrückt so das Wachstum von Schimmelpilz und unerwünschten Bakterien. Durch eine regelmäßige Zuckerzufuhr werden Hefebakterien aktiviert, deren Wirkung den Gärprozess initiiert. Mit der Zeit bildet sich ein trüber Hefeansatz am Boden der Flasche, der vor der Entlüftung durch schütteln aufgelöst werden sollte, damit sich Hefezellen optimal im Schüttelwasser verteilen.

Trüber Hefesatz am Boden

Fermentierten Lebensmitteln wird eine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen. Zu Recht, denn nicht nur unsere Großmütter wussten bereits, dass fermentierte Speisen gesund sind. Die im Hefewasser enthaltende Hefe hat einen besonders hohen Gehalt an Vitamin B1, B2 und B6. Diese B-Vitamine unterstützen die Energie-Produktion im menschlichen Stoffwechsel. Sie wirken positiv auf unsere Stimmung sowie Konzentration und stärken die Nerven. Neben Vitaminen, Folsäure und Biotin, die für gesunde Haare und Nägel sorgen, sind auch Spurenelemente sowie Aminosäuren enthalten. Die in der Hefe entstandenen Nährstoffe unterstützen einen reibungslosen Stoffwechsel, wirken positiv auf die Darmflora, sind behilflich bei der Blutbildung und unterstützen das Immunsystem. Durch hochwertiges Eiweiß, ist Hefewasser zudem eine gute Eiweißergänzung für alle, die einen Mehrbedarf haben: Vegetarier, Veganer oder Sportler.

In Korea werden Lebensmittel aus fermentierten Zutaten wegen ihrer verdauungsfördernden und antikanzerogenen Wirkung, die Krebs verhindern soll, sehr geschätzt. In einigen afrikanischen Bevölkerungsgruppen nehmen fermentierte Lebensmittel einen hohen kulturellen und sozialökonomischen Stellenwert ein. Familienmitglieder sowie Nachbarn kommen zusammen, um Lebensmittel zu fermentieren. In Polen gibt es ein Sprichwort über den regelmäßigen Verzehr von Zur, einer Sauerteigsuppe – “Der Genuss von Sauerteigsuppe hinterlässt keine Löcher in der Hose.” und “Der Genuss von Sauerteigsuppe macht Männer stark wie eine Mauer.”

Auch heutzutage erfreuen sich Menschen in bestimmten Kulturen immer noch dieser Tradition und trinken Kombucha, ein Getränk aus gesüßtem, fermentierten Schwarztee mit einem speziellen Pilz hergestellt. In Russland wird Kwas getrunken – ein Erfrischungsgetränk aus vergorenem Schwarzbrot. Weitere Alternativen für fermentierte Getränke bzw. Limonade bieten auch der Ingwer oder Kurkuma Bug, der gute alte Wasserkefir und natürlich Hefewasser.

Rhabarber Hefewasser sprudelt

Nicht nur in meinen Hefewasser-Seminaren habe ich die Erfahrung gemacht, dass Schüler erstaunt darüber sind, dass Hefewasser mehr kann, als nur als Grundlage für einen Teig zu dienen.

Eigene Limonade ist mit Hefewasser einfach, schnell gemacht und preisgünstig: mit frischen Früchten der Saison, aus Obstschalen, getrockneten Früchten und Kräutern, so wie frischen Kräutern oder (Wild)Blumen. Praktisch jede organische Substanz lässt sich durch einen spontanen, von Mikroorganismen ausgelösten Prozess fermentieren.

Kamillen Tee Hefewasser

Fermentwasser – Hefewasser – wilde Hefe: Anleitung

  • saubere 1L “Milchflasche”

Milchflaschen eignen sich aus mehreren Gründen zum Ansetzen von natürlicher Hefe:

  1. Der Verschluss ist meistens nicht 100% dicht, so kann das überschüssige Gas entweichen, bevor ein zu großer Druck in der Flasche aufgebaut wird und sie womöglich platzt.
  2. Die geringe Oberfläche zum Ende der Glasflasche sorgt für einen kleineren Nährboden für Schimmelpilze und verringert dadurch das Risiko.

Für große Früchte wie Blutorangen eignen sich Bügelgläser ohne Dichtung.

In einem großen Gefäß haben Blutorangen zwar ausreichend Platz, sind aber auch durch die breite Oberfläche anfälliger für unerwünschte Bakterien

Flaschen/Gläser (ausgenommen billige Bügelgläser, da schmilzt der Bügel im Ofen) im Backofen 30 Minuten bei 110°C sterilisieren und abkühlen lassen. Deckel mit warmen Wasser ausspülen und trocknen.

  • 500 bis 600g Wasser (abgekocht + lauwarm)
  • etwa eine Handvoll unbehandeltes und nicht-gewaschenes Obst oder Obstschalen, Gemüse, Kräuter, Blüten, Kaffeebohnen, Gewürze, getrocknetes Dörrobst etc. – aus der no waste Perspektive sind fast keine Grenzen gesetzt und jeder kann sich seinen Hefewasser Mix individuell herstellen, je nach Gusto und was der Garten oder die Speisekammer so her gibt
  • bei getrocknetem oder frischem Obst 1 bis 2 Teelöffel unraffinierten Zucker oder 1 Teelöffel Honig
  • bei Gemüse, Kräuter, Blüten, Gewürzen 4 bis 5 Teelöffel unraffinierten Zucker oder 2-3 Teelöffel Honig

Unraffinierter Zucker und Honig in Rohquallität enthalten Enzyme, die den Gärprozess positiv beeinflussen. Auf konventionellem Zucker sind durch die industrielle Verarbeitung weniger Enzyme vorhanden und gewöhnlicher Honig wird in der Regel bei der Herstellung auf über 40 °C erwärmt, wobei Enzyme geschädigt werden können.

Mit einem Kokosblütenzucker guter Qualität erhält das fermentierte Gut eine karamellige Note.

Honig oder Kokosblütenzucker sind intensive Geschmacksgeber. Mein Rosen Hefewasser habe ich eine Zeit-lang mit Honig gefüttert, bis mir der Geschmack zu intensiv wurde und ich auf Zucker umgestiegen bin. Zwischendurch wechsel ich immer wieder die Süßungsmittel, somit beeinflusse ich nicht nur den Geschmack sondern füge neue Mikroorganismen hinzu.

Alle Zutaten in eine Flasche füllen, verschließen und bei 25 bis 30°C fermentieren lassen. Je nach Reifegrad und Menge der Früchte, kann ein großer Druck in der Flasche entstehen. Deshalb während der Herstellungszeit sowie vor Gebrauch individuell einmal täglich bis alle 2 bis 3 Tage Flasche vorsichtig schütteln und entlüften.

Es schäumt und sprudelt: Blaubeeren Hefewasser

Je nach Sorte des zu fermentierenden Gutes, Hefen und Temperatur ist das Fermentwasser in 3 bis 5 Tagen einsatz- bzw. genussbereit, sobald der Inhalt sprudelt und ein angenehmer Duft aus der Flasche steigt.

Blaubeeren Hefewasser: das Schüttelwasser hat sich verfärbt, Gasbläschen steigen hoch und es bildet sich eine Schaumschicht

Manchmal ist der Druck so groß, dass das Schüttelwasser über den Flaschenhals sprudelt

Nicht fermentiert werden sollten:

Bis auf Ananas, Mango, Kiwi und Papaya, die aufgrund glutenzerstörender Enzyme nicht für die Herstellung von Hefewasser geeignet sind, ist der fermentativen Kreativität kaum eine Grenze gesetzt, solange die Zutaten gesundheitlich unbedenklich sind. Die Devise hier lautet “einfach ausprobieren”, im schlimmsten Fall entwickelt sich keine Gärung, oder es schmeckt nicht. Andernfalls freuen sich Blumen und Grünpflanzen über eine Extraportion natürlicher Hefe.

Inaktive Hefe und ihre Lagerung:

Bezüglich der Lagerung von Hefewasser gibt es im Internet und gewissen Portalen unterschiedliche Meinungen: manche halten das Hefewasser bei nicht-Gebrauch im Kühlschrank, manche schütteln und entlüften es während der Inaktivität und andere stellen es lichtgeschützt in einen Schrank.

Hier bewahre ich meine Hefewasser auf

Mein Weg – oder my evidance based practice:

Seit Jahren beherberge ich all meine Hefewasser, wenn ich sie nicht nutze entweder in meiner Speisekammer oder in einen Küchenregal ohne direkte Sonneneinwirkung. In dieser Zeit werden sie weder geschüttelt noch entlüftet. Während der Inaktivität befinden sich nur wenige Früchte in der Flasche, so beuge ich einen zu großen Druck vor. Die kühlere Umgebung verhindert, dass der Gärprozess weiter voranschreitet und beugt unerwünschten Reaktionen vor: Schimmelbildung, Übersäuerung und unangenehmen Geruch. Die inaktive Flüssigkeit kann so problemlos mehrere Monate bis Jahre gelagert werden. Dies macht wilde Hefe so attraktiv:

  • einfache Handhabung und Führung
  • individuelle Fermentationsmöglichkeiten
  • bei nicht-Gebrauch einfach zu deaktivieren und reaktivieren
  • günstig, aufgrund von Obst- und Gemüseresten
  • Robustheit, Anspruchslosigkeit und schnelle Fermentierung

Meine Hefewasser waren bzw. sind zum Teil mehrere Tage, Wochen oder Monate inaktiv. Zu meinem Ensemble gehören Rosen, Cranberry und Apfel Hefewasser. Weitere Hefewasser kommen und gehen – je nach Bedarf und Saison, z.B. Spargel, Blutorangen, Rhabarber oder Wildkräuter Hefewasser.

Von links: Rosen, Apfel und Cranberry Hefewasser im inaktiven Zustand

Spargel Hefewasser: der Geruch erinnert an einen kräftigen französischen Käse

Aktivierung von natürlicher Hefe:

Von altem Fermentwasser werden 100 bis 200g zurückgehalten, um den neuen Ansatz zu impfen. Schütteln nicht vergessen, um den wertvollen Hefesatz zu erhalten. Mit der Zeit nimmt das Hefewasser an Triebkraft und wertvollen Hefekulturen zu.

Hefewasser ist voller Lebenskraft

Basis Anleitung Auffrischung:

  • 100 – 200g Hefewasser
  • Obst, Gemüse, Blüten etc.
  • 300 – 400g Wasser (abgekocht und lauwarm)
  • unraffinierter Zucker/Honig in Rohqualität etc.

Altes fermentiertes Gut entfernen. In diesen Früchten steckt Triebkraft und sie können für ein Hefewasser- oder Sauerteig Starter verwendet werden.

Die Auffrischung des Hefewassers kann in der alten Flasche vorgenommen werden, solange diese noch sauber ist. Ich wechsel je nach Zustand und Gebrauch alle paar Monate die Flasche.

Tipp:

Wer sein Hefewasser länger als nur eine Frucht-Session behalten möchte hat drei Möglichkeiten. Die erste ist:

Ein zu fermentierendes Gut nehmen, welches das ganze Jahr über vorhanden ist. Oder…

Cranberry Hefewasser: getrocknete Früchte sind das ganze Jahr erwerblich

Hefewasser Umzüchten:

Ist die Erdbeere Saison vorbei, ist das Handling beim Umzüchten wie bei der Auffrischung, nur statt der Erdbeeren können andere Früchte beigefügt werden wie Blaubeeren, Pflaumen, Kirschen, Trauben oder Johannisbeeren.

Aus Blaubeere Hefewasser wurde ein Mix aus Pflaumen, roten Weintrauben, Kirschen und Erdbeeren Aus Rhabarber Hefewasser wurde ein Mix aus weißen Pfirsich, hellen Trauben, Aprikose und Apfel

Von frischen zu getrockneten Blüten/Früchten:

Die dritte Möglichkeit ist, (frisches) altes fermentiertes Gut durch getrocknete Blüten und Früchte zu ersetzen.

Bei meinem Rosen Hefewasser habe ich nach über 2 Jahren die alten Blüten, die ich damals an meiner alten Schule gepflückt habe durch getrocknete Blüten aus der Apotheke ersetzt.

Rosen Hefewasser – frische Blüten wurden durch getrocknete ausgetauscht

Aromatisches Rosen Hefewasser

Hefewasser ist nicht nur zum Backen da:

Wenn die Temperatur wieder ansteigt ist eine prickelnde Limonade die ideale Erfrischung. In handelsüblichen Getränken sind aber oft zu viel Zucker und künstliche Zusätze enthalten. Eigene Limonade, ein Wellness-Shoot oder ein Aperitif sind mit Hefewasser sind nicht nur binnen kurzer Zeit gemacht sondern auch noch gesund.

Trinkvorschlag:

Rhabarber Hefewasser Shoot (Schnapsglas) morgens auf den nüchternen Magen trinken. Die für die Rotfärbung verantwortlichen Anthocyane (wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe) zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen und besitzen zahlreiche gesundheitsförderliche Eigenschaften.

Rhabarber Hefewasser Shoot

Herrlich fruchtig schmeckt eine Edbeere-Minz Limo aus Erdbeer Hefewasser an heißen Tagen. Dazu Hefewasser pur oder mit Sprudel mixen, mit Minze dekorieren und eiskalt genießen.

Erfrischen sommerlich-herb schmeckt ein Ingwer-Zitronen-Kurkuma Fermentwasser. Es ist ein optimaler Durstlöscher und versorgt den Organismus gleichzeitig mit wertvollen Inhaltsstoffen der Zitrone sowie der Ingwer- und Kurkumawurzel.

Wer mag versüßt seine Limo mit Agavendicksaft, Honig oder anderen Süßmachern. Das Fermentwasser kann sowohl pur getrunken oder auch mit Wasser, Tee oder Frucht- und Gemüsesaft gemixt werden.

Weitere Verwendungs Tipps:

Das Hefewasser veredelt jede Vinaigrette, dadurch werden Blattsalate, Spargel, Gurken, Tomaten und Feta individuell und bekömmlich gewürzt  – wie wäre es mit einem Himbeere-Zitronenthymian Hefewasser?

Pancakes sind der Inbegriff eines Frühstücks und schmecken direkt aus der Pfanne auch am Nachmittag – wem Ahornsirup zu old school ist, wird den Kaffee-Vanille Sirup aus Hefewasser lieben.

Natürlich kann man mit Hefewasser auch backen bzw. einen Teig ansetzen.

Hefewasser verleiht Crackern und Knäckebrot einen besonderen Geschmack

Hefewasser Starter:

Hefewasser und Mehl zu gleichen Teilen ansetzen, also 1:1

  • 50g Hefewasser
  • 50g Mehl (eine Sorte oder Mix)

Alles gut verrühren, abdecken und warm führen

  • bei Raumtemperatur oder
  • im Backofen auf 25 bis 30 °C

Blutorangen Hefewasser über Nacht im Ofen bei Restwärme gereift

oder kalt führen

  • bei Raumtemperatur 1 bis 2 Stunden anspringen lassen und dann je nach Trieb 24 Stunden bis 7 Tage im Kühlschrank parken

Hefewasser Starter nach 1 Woche kalter Führung

Salz-Hefewasser-Starter:

  • 50g Hefewasser
  • 100g Dinkelmehl 630
  • 100g Dinkelvollkornmehl
  • 180g Wasser (warm)
  • 5g Salz

Alle Zutaten miteinander vermengen und abgedeckt bei Raumtemperatur 12 bis 16 Stunden reifen lassen, bis der Ansatz backfähig ist.

Salz-Hefewasser Starter nach 14 Stunden Führung bei Raumtemperatur

Hefewasser kann man auch mit Sauerteig Marvin, Lievito Madre oder auch mit anderen Sauerteigen mixen.

Ein Glas voller Leben

Ich bin verliebt jedes Mal aufs Neue

Brot natürlich mit Kamillen Tee Hefewasser getrieben

Urig lecker, dank Kamillen Power

Anschnitt: Brot natürlich mit Kamille Hefewasser getrieben

Ein magischer Moment: Dinkelmehl Mix und Cranberry Hefewasser

Brotpassion zu Gast in der Backstube Backsüchtig in Bielefeld

 

 

 

 

 

 

 

Sauerteig “Marvin”

Mild-säuerlich: Sauerteig Marvin

Wenn man im deutschsprachigen Raum von Sauerteig spricht, wird oft darunter Roggensauerteig verstanden. In den letzten Jahren hat die Brot-back Community eine enorme Entwicklung erlebt und diese Revolution geht weiter. Ich als Kreativkopf finde diese Progression gut, denn es gibt nicht den einen Sauerteig. Selbst Sauerteige der gleichen Getreidesorte entwickeln ihren eigenen Geschmack, denn hier spielen viele Einflüsse wie Anbaugebiet und Anbaubedingungen des Getreides eine Rolle, aber auch das eigene Sauerteig Management, also unter welchen Bedingungen halte und pflege ich meinen Sauerteig nehmen Einfluss auf die Vitalität und den Geschmack des Sauerteig Starters.

Ich habe viele Sauerteige ausprobiert – bis ich auf Sauerteig Marvin gekommen bin. Mittlerweile besitze ich einige Sauerteige unter anderem auch einen Roggensauerteig mit der Kultur eines 100 jährigen Sauerteigs aus Polen.

Aber der Sauerteig der mich wirklich glücklich macht ist Marvin. Er muss immer ran. Mit Sauerteig ist es wie mit der Liebe – man muss sich finden. Üben und immer wieder üben in Geduld, einander kennen lernen um gemeinsam wachsen zu können – nur so lernt man seinen Sauerteig verstehen und lieben.

Ideengeber für meinen Sauerteig Marvin war einst Richard Bertinet. Er züchtet seit über 15 Jahren einen Sauerteig mit zwei hellen, backstarken Mehlsorten. Das war mir in Bezug auf die Variabilität der Mikroorganismen zu eingeschränkt, denn die Vorzüge eines Weizenmehl 550 und Dinkelvollkorn Mehl Sauerteiges sind gegenüber einem rein hellen Weizen- oder Dinkelmehl Sauerteig folgende:

Helle Mehlsorten enthalten weniger Nährstoffe und Mikroorganismen und können mit der Zeit durchaus träge werden. An dieser Stelle wirkt Vollkornmehl präventiv. Im Vollkornmehl sind alle drei Bestandteile eines Getreidekorns verarbeitet: der Keim, die Schale und das Endosperm. Endosperm wird auch Mehlkörper oder Mehlkern genannt. Es ist das Nährgewebe der Pflanzensamen und umgibt den Keimling. Der Mehlkern ist von einer Wabenschicht (Aleuronschicht) umgeben. Sie ist reich an hochwertigem Eiweiß und Enzymen, Fett, Mineralstoffen sowie Ballaststoffen und B-Vitaminen. Die Aleuronschicht wird auch die “müllerische Schicht” bezeichnet, da bei Auszugsmehlen alles, was außerhalb der Wabenschicht liegt, vor dem Mahlen überwiegend abgetrennt wird. In Vollkornmehl ist die Aleuronschicht reichlich vorhanden und färbt das Brot dunkel.

Durch das ausgewogene Mischungsverhältnis von Sauerteig Marvin von 50% Weizen 550 zu 50% Dinkelvollkorn wird der Sauerteig optimal mit Mikronährstoffen versorgt die den Stoffwechselprozess von Lactobacillus (Milchsäurebakterien) und Nektarhefen unterstützen. Zudem wird das Backen mit dem Mehl-Mix planbarer da die Verhältnisse im Sauerteig stabiler sind, auch bei wenig Zeit, unter der Woche und selbst in Backstuben.

Wunderschöne Schwammoberfläche – ich liebe diese Struktur

Weitere Vorteile von Sauerteig Marvin gegenüber konventioneller Hefe:

  • verbesserte und längere Haltbarkeit der Backwaren
  • der natürliche Säuregehalt im Sauerteig schützt die Backwaren vor Schimmelbildung und gegen das sogenannte Fadenziehen

Durch die Säure werden verderbende Mikroorganismen in ihrer Vermehrung und Aktivität gehemmt. Ein Teig bzw. Brot das weniger Keime enthält verdirbt seltener.

Vor allem bei wärmeren Temperaturen können Bazillensprossen keimen, die das Backen überlebt haben. Manche dieser Bazillenstämme verfügen über Amylase- und Proteaseaktivität. Das Resultat kann eine verflüssigte, glitschige und nasse Krume mit großen Hohlräumen sein. Die dünnen Schleimfäden, die bei diesem Prozess entstehen gaben der Erkrankung ihren Namen, Fadeniehen.

  • saftige Krume

Milchsäurebakterien stellen bei der Fermentation von Sauerteig  Hydrokolloide wie Dextran her. Dextrane verbessern das Volumen sowie die Textur der Krume und können große Mengen Wasser binden, dies ermöglicht eine höhere Teigausbeute.

  • eine bessere Verdaulichkeit durch Bioverfügbarkeit

Die Getreideschale enthält große Mengen an Phytaten, die Zink, Calcium, Magnesium und Eisen an sich binden, so dass sie unserem Körper nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Die im Sauerteig vorhandenen Nektarhefen und Milchsäurebakterien aktivieren ein Enzym: die Phytase. Das Enzym spaltet größtenteils die Phytate auf und setzt so Nährstoffe frei. Der Sauerteig liefert nicht nur viele Mineralstoffe – der Sauerteig sorgt auch für deren Verwertbarkeit.

“Zudem ist seit längeren bekannt: Auch Phytate werden bei längerer Teigführung abgebaut. […]. Vieles spricht somit für den aktuellen Trend des “Slow Baking”, der dem Teig eine längere Reifezeit erlaubt.” (vgl. Universität Hohenheim)

  • Dezimierung des glykämischen Index

Der glykämische Index ist ein Maß dafür, wie schnell die Glucose aus der aufgenommenen Nahrung während der Verdauung ins Blut aufgenommen wird. Der glykämische Index ist bei Sauerteig-geführten Backwaren niedriger als bei direkt hergestellten Broten, verantwortlich dafür ist die gebildete Milchsäure. Daneben zeigen spezifische Lactobacillus-Stämme probiotische Aktivität, dass bedeutet sie sind direkt im menschlichen Organismus aktiv und fördern so die Gesundheit.

Die im Sauerteig Marvin vorhandenen Mikroorganismen besitzen eine große Anpassungsfähigkeit. Je höher die Temperatur – umso kürzer ist die Reifezeit. Für die Führung bzw. Auffrischung ist eine Temperatur von ca. 20 bis 30°C optimal. Die Temperatur beeinflusst den Geschmacks des Sauerteigs. Niedrige Temperaturen begünstigen die Vermehrung von Essigsäurebakterien, was den Sauerteig säuerlicher schmecken lässt.

2 Kilogramm Sauerteig Marvin

Marvin – ein Multitalent

Der milde und feste Sauerteig hat eine Hydration von 50% und eine Teigausbeute von 150. Er ist ein richtiger Allrounder, man kann…

  • mit Marvin einen flüssig Starter herstellen, also z.B. mit einer Hydration von 100%
  • Marvin direkt aus dem Kühlschrank verwenden
  • Marvin auf das Brotmehl anpassen
  • Marvin für herzhafte sowie für süße Backwaren einsetzen
  • mit Marvin einen Starter mit Hefewasser, Tee, Milch oder Kefir ansetzen
  • ihn vergessen, denn er ist sehr robust – bei guter Pflege und sauberen Gefäß kann Marvin Wochenlang auf Nahrung verzichten
  • bis zu 50% Sauerteig Marvin im Teig verwenden

Marvins Herz

Die Kombination vieler Eigenschaften wie Robustheit, Unempfindlichkeit, Anspruchslosigkeit, schnelles Wachstum und ausgezeichneter Geschmack machen Sauerteig Marvin zu einem besonderen Sauerteig.

Marvins Rezept: Fürsorge und Liebe zum Sauerteig

So gibst du deinem Marvin in 5 Tagen einen Platz bei dir zu Hause – Schritt für Schritt Anleitung:

Schritt 1

Zutaten:

  • 150g Weizenmehl 550
  • 50g Dinkelmehl
  • 20g Honig (Rohkost-Qualität)
  • 150g Wasser

Alle Zutaten in eine Schüssel füllen und gut mit den Händen kneten, bis ein weicher Teig entsteht. Die Schüssel fest verschließen (am besten mit einer Haube, so kann man den Teig beim Wachsen beobachten) und bei Raumtemperatur 36 bis 48 Stunden stehen lassen, bis der Teig sich gelockert und einen Alkoholgeruch entwickelt hat. Um für die Bakterien optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen Schüssel während der gesamten Fermentation zugedeckt lassen.

Nach dem verkneten der Zutaten

Schritt 2

Nach 36 bis 48 Stunden hat sich die Teigoberfläche etwas dunkler verfärbt und es haben sich erste Bläschen gebildet. Nun ist es an der Zeit für die erste Fütterung.

Zutaten:

  • Teig aus Schritt 1
  • 280g Weizenmehl 550
  • 30g Dinkelvollkornmehl
  • 150g Wasser

Alle Zutaten in eine größere Schüssel geben und vermengen – Schüssel abdecken und weitere 24 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen.

Sauerteig Marvin nach 48 Stunden

Umgefüllt in eine größere Schüssel…

…wird Marvin gefüttert und

… zu einer Kugel geformt – typisch Marvin Style

Schritt 3

Wenn der Teig etwas an Volumen zugenommen hat und leicht süß-vergoren riecht, dann ist es Zeit um den nächsten Schritt einzuleiten.

Zutaten:

  • 100g Teigmischung aus Schritt 2
  • 200g Weizenmehl 550
  • 100g Wasser

Alle Zutaten in einer großen Schüssel miteinander vermengen, bis ein zäher Teig entsteht – Schüssel mit einer Haube abdecken und rund 24 Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen.

Der übrig gebliebene Sauerteig-Rest aus diesen Schritt kann auf vielerlei Weise weiter verwertet werden.

Aus einer Teigkugel wurde eine Sauerteigmasse

Nun kann Marvin in sein richtiges zu Hause einziehen – in hohen engen Gefäßen fühlt er sich sehr wohl

Schritt 4

Marvin fühlt sich wohl, wenn er sichtlich gewachsen ist. Der Sauerteig kommt jetzt für 2 Tage (mild-säuerliche Brote) oder 4 bis 5 Tage (säuerliche Brote) in den Kühlschrank in das oberste Fach. Dort herrschen optimale Bedingungen für ihn.

Er ist zur Weiterverarbeitung bereit, wenn er unter der Haut eine gelbliche Farbe hat und leicht butterig riecht. Anfangs bilden sich noch wenige Bläschen, aber von Fütterung zu Fütterung erhält Marvin seine typisch feste grobporige Struktur.

Sollte Marvin mal stechend riechen, dann ist er mehr als reif für eine Fütterung. Auch wenn die Hautoberfläche etwas dunkel oder wässerig geworden ist, weil er länger nicht gefüttert wurde – so ist sein Herz intakt. Die Oberfläche entfernen und wie gewohnt füttern. Solange Marvin vom Schimmel nicht befallen ist lässt er sich gut reaktivieren.

Nun kann Marvin im Kühlschrank nachreifen und ist bald fertig für seinen ersten Einsatz

Marvins Fütterung

Die Fütterung erfolgt immer nach demselben Prinzip: ein Teil Wasser + ein Teil Sauerteig + 2 Teile Mehl, also genauso viel Wasser wie Sauerteig + doppelte Menge an Mehl

Beispiel:

50g Sauerteig Marvin + 50g Wasser + 50g Weizenmehl 550 + 50g Dinkelvollkornmehl

50g Marvin Grundansatz werden in 50g Zimmer-warmen Wasser aufgelöst. Zum im Wasser gelösten Sauerteig kommt das Mehl hinzu. Alle Zutaten mit den Händen kneten bis sie sich verbunden haben –  aus der Masse eine feste, geschmeidige Teigkugel formen, die eine glatte Oberfläche ohne Risse aufzeigt.

Bei schmalen Gefäßen forme ich Marvin nicht zu einer Kugel sondern zu einer Art Schnecke wie im Bild zu sehen.

Nach der Fütterung kann Marvin direkt im Kühlschrank geparkt werden oder ein paar Stunden bei Raumtemperatur reifen, bis er entweder für das Backen verwendet wird oder aufgepolstert in den Kühlschrank zur Nachreife kommt.

Sauerteig Marvin ist bis zum Glasende gewachsen – seine schöne unregelmäßige und grobe Porung verzaubert mich jedes Mal auf das Neue

In den ersten zwei bis drei Tagen sieht man (auch im Kühlschrank) eine deutliche Zunahme an Volumen bis diese dann langsam absinkt.

Über Nacht hat mich Marvin mit seinem Ausbruch überrascht

Eine Auffrischung des Grundansatzes alle 2 bis 3 Tage ist optimal, um die Fermentierung in Gang zu halten. Aber mit der einmal pro Woche Fütterung erhält man auch gute und schmackhafte Ergebnisse.

Brötchen sind aus (Sauerteig)Teig gemachte Liebe

Ein Glas voller Leben: große und längliche Poren – typisch Marvin

Den Grundansatz von Marvin kann man auch nutzen um…

  • einen anderen Sauerteig (Weizensauer, Dinkelsauer etc.) ins Leben zu rufen
  • verschiedene Starter anzusetzen z.B. ein Emmermehl Starter mit Marvin ansetzen für ein Emmer Brot
  • auch Roggenbrote sind möglich, wie die Erfahrung der Nutzer wie Mimipusteblume zeigt

Der Grundansatz sollte immer gleich und nicht querbeet gefüttert werden, um eine möglichst hohe Qualität zu erzielen und zu halten. Die Mikroorganismen gewöhnen sich an ihr Umfeld, dass sollte man ihnen nicht entreißen.

Am Anfang wird der Sauerteig noch nicht so viel Triebkraft haben, da empfehlt es sich Hefe und Sauerteig miteinander zu kombinieren. Durch die ständige Fütterung gewinnt Marvin mit der Zeit an Trieb, so dass ganz auf Hefe verzichtet werden kann.

Hefe und Sauerteig Mischungen, die sich bewährt haben:

  • 0,2g bis 5g Hefe + 10g bis 25g Sauerteig pro 500g Mehl

 

Sollte Sauerteig Marvin zu säuerlich schmecken oder riechen – binnen 48 Stunden zwei Mal füttern und bei Raumtemperatur ca. 4 Stunden akklimatisieren lassen, bevor er verbacken oder in den Kühlschrank geparkt wird. Nach 12 bis 14 Stunden hat Marvin wieder sein mildes und butteriges Aroma erreicht.

Wer es säuerlicher mag, lässt ihn bei niedrigen Temperaturen oder 4 bis 5 Tage im Kühlschrank reifen.

Die Hitze in der Backstube hat Marvin ordentlich Auftrieb gegeben

Wasser, Weizenmehl sowie Dinkelvollkornmehl und guter Honig, dass sind die Zutaten aus den Sauerteig Marvin gemacht ist

Robust, multifunktionell und pflegeleicht, dass macht meinen Sauerteig Marvin aus

Mit Liebe und Fürsorge – ein Team für das ganze (Back)Leben

Sauerteig Marvin rockt

Feierabend – morgen ist auch noch ein (Back)Tag!

Meine Liebe, meine Hingabe – Brotpassion

Die Sauerteig Marvin Familie wächst und es erfüllt mein Herz mit Freude, denn deine Begeisterung ist mein Glück. Lass mich an deinem Familienzuwachs teilhaben und benutze den Hashtag #sauerteigmarvin #imagina_von_rosenberg oder #brotpassion

Ich freue mich meine Sauerteig “Kinder” aufwachsen zu sehen und dich auf deinem Backprozess zu begleiten. Also teile dein Sauerteig-Glück mit mir und der ganzen (Back)Welt.

Werde ein Teil der Marvin-Familie und lass mich teilhaben an deinem Familienzuwachs

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Max-Rubner-Institut Kiel, Universität Hohenheim, Wissensforum Backwaren, VTT Technical Research Centre of Finland und Brotpassion.