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Selbst fermentiertes Hefewasser ist eine gute Alternative zu industriell hergestellter Hefe. Hefen gehören zu den wichtigsten Mikroorganismen – so stand fermentiertes bereits bei den Steinmenschen auf dem Speiseplan, in China wurde 7000 vor Chr. Alkohol aus Reis, Honig oder Trauben zubereitet und in den frühen Hochkulturen des mittleren Ostens wurde die alkoholische Gärung zur Herstellung von Wein und Bier sowie Backwaren genutzt. Auf diese Weise wurden Lebensmittel konserviert oder in ihrer Geschmackseigenschaft veredelt, um eine höhere Genussquallität zu erzielen.
Fermentation wird von dem lateinischen Wort fermentare abgeleitet, was so viel wie gären bedeutet. Bei der Gärung metabolisieren (verstoffwechseln) Mikroorganismen Kohlenhydrate um Energie zu gewinnen. Die Fermentation ist ein natürlicher Gärprozess, der mit Hilfe von Hefen, Bakterien und Schimmelpilzen ausgelöst wird. Diese befinden sich in ihrer natürlichen Umgebung auf Lebensmittel wie Obst und Gemüse, aber auch auf Blumen und Kräutern, in der Luft, im Wasser oder sie müssen per Hand zugeführt werden.
Die Fermentation wird unterschieden in aerobe und anaerobe Fermentation.
Bei der Aerobe Fermentation wird Sauerstoff benötigt, das bedeutet das zu fermentierende Gut ist unter ständigem Sauerstoffaustausch. Über das Gefäß wird z.B. ein Leinentuch gelegt, damit der Sauerstoffaustausch gewährleistet ist, wie bei der Herstellung von Essig.
Die anaerobe Fermentation kommt ohne extra zugeführten Sauerstoff aus und wird seit alters her zur Herstellung von alkoholischen Getränken und zum Brot backen genutzt. Die Erkenntnis das Mikroorganismen auch ohne Sauerstoff leben können und metabolisieren verdanken wie Louis Pasteur.
Unter anaeroben Bedingungen wie beim Hefewasser wandeln Bakterien und Hefen den Zucker aus den Früchten sowie den zugesetzten Zucker/Honig in Kohlenhydrate um, dabei entsteht Kohlendioxid und ein geringer Anteil an Alkohol. Die Säure senkt den ph-Wert des umgebenden Milieus und unterdrückt so das Wachstum von Schimmelpilz und unerwünschten Bakterien. Durch eine regelmäßige Zuckerzufuhr werden Hefebakterien aktiviert, deren Wirkung den Gärprozess initiiert. Mit der Zeit bildet sich ein trüber Hefeansatz am Boden der Flasche, der vor der Entlüftung durch schütteln aufgelöst werden sollte, damit sich Hefezellen optimal im Schüttelwasser verteilen.
Fermentierten Lebensmitteln wird eine gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen. Zu Recht, denn nicht nur unsere Großmütter wussten bereits, dass fermentierte Speisen gesund sind. Die im Hefewasser enthaltende Hefe hat einen besonders hohen Gehalt an Vitamin B1, B2 und B6. Diese B-Vitamine unterstützen die Energie-Produktion im menschlichen Stoffwechsel. Sie wirken positiv auf unsere Stimmung sowie Konzentration und stärken die Nerven. Neben Vitaminen, Folsäure und Biotin, die für gesunde Haare und Nägel sorgen, sind auch Spurenelemente sowie Aminosäuren enthalten. Die in der Hefe entstandenen Nährstoffe unterstützen einen reibungslosen Stoffwechsel, wirken positiv auf die Darmflora, sind behilflich bei der Blutbildung und unterstützen das Immunsystem. Durch hochwertiges Eiweiß, ist Hefewasser zudem eine gute Eiweißergänzung für alle, die einen Mehrbedarf haben: Vegetarier, Veganer oder Sportler.
In Korea werden Lebensmittel aus fermentierten Zutaten wegen ihrer verdauungsfördernden und antikanzerogenen Wirkung, die Krebs verhindern soll, sehr geschätzt. In einigen afrikanischen Bevölkerungsgruppen nehmen fermentierte Lebensmittel einen hohen kulturellen und sozialökonomischen Stellenwert ein. Familienmitglieder sowie Nachbarn kommen zusammen, um Lebensmittel zu fermentieren. In Polen gibt es ein Sprichwort über den regelmäßigen Verzehr von Zur, einer Sauerteigsuppe – “Der Genuss von Sauerteigsuppe hinterlässt keine Löcher in der Hose.” und “Der Genuss von Sauerteigsuppe macht Männer stark wie eine Mauer.”
Auch heutzutage erfreuen sich Menschen in bestimmten Kulturen immer noch dieser Tradition und trinken Kombucha, ein Getränk aus gesüßtem, fermentierten Schwarztee mit einem speziellen Pilz hergestellt. In Russland wird Kwas getrunken – ein Erfrischungsgetränk aus vergorenem Schwarzbrot. Weitere Alternativen für fermentierte Getränke bzw. Limonade bieten auch der Ingwer oder Kurkuma Bug, der gute alte Wasserkefir und natürlich Hefewasser.
Nicht nur in meinen Hefewasser-Seminaren habe ich die Erfahrung gemacht, dass Schüler erstaunt darüber sind, dass Hefewasser mehr kann, als nur als Grundlage für einen Teig zu dienen.
Eigene Limonade ist mit Hefewasser einfach, schnell gemacht und preisgünstig: mit frischen Früchten der Saison, aus Obstschalen, getrockneten Früchten und Kräutern, so wie frischen Kräutern oder (Wild)Blumen. Praktisch jede organische Substanz lässt sich durch einen spontanen, von Mikroorganismen ausgelösten Prozess fermentieren.
Fermentwasser – Hefewasser – wilde Hefe: Anleitung
Milchflaschen eignen sich aus mehreren Gründen zum Ansetzen von natürlicher Hefe:
Für große Früchte wie Blutorangen eignen sich Bügelgläser ohne Dichtung.
Flaschen/Gläser (ausgenommen billige Bügelgläser, da schmilzt der Bügel im Ofen) im Backofen 30 Minuten bei 110°C sterilisieren und abkühlen lassen. Deckel mit warmen Wasser ausspülen und trocknen.
Unraffinierter Zucker und Honig in Rohquallität enthalten Enzyme, die den Gärprozess positiv beeinflussen. Auf konventionellem Zucker sind durch die industrielle Verarbeitung weniger Enzyme vorhanden und gewöhnlicher Honig wird in der Regel bei der Herstellung auf über 40 °C erwärmt, wobei Enzyme geschädigt werden können.
Mit einem Kokosblütenzucker guter Qualität erhält das fermentierte Gut eine karamellige Note.
Honig oder Kokosblütenzucker sind intensive Geschmacksgeber. Mein Rosen Hefewasser habe ich eine Zeit-lang mit Honig gefüttert, bis mir der Geschmack zu intensiv wurde und ich auf Zucker umgestiegen bin. Zwischendurch wechsel ich immer wieder die Süßungsmittel, somit beeinflusse ich nicht nur den Geschmack sondern füge neue Mikroorganismen hinzu.
Alle Zutaten in eine Flasche füllen, verschließen und bei 25 bis 30°C fermentieren lassen. Je nach Reifegrad und Menge der Früchte, kann ein großer Druck in der Flasche entstehen. Deshalb während der Herstellungszeit sowie vor Gebrauch individuell einmal täglich bis alle 2 bis 3 Tage Flasche vorsichtig schütteln und entlüften.
Je nach Sorte des zu fermentierenden Gutes, Hefen und Temperatur ist das Fermentwasser in 3 bis 5 Tagen einsatz- bzw. genussbereit, sobald der Inhalt sprudelt und ein angenehmer Duft aus der Flasche steigt.
Nicht fermentiert werden sollten:
Bis auf Ananas, Mango, Kiwi und Papaya, die aufgrund glutenzerstörender Enzyme nicht für die Herstellung von Hefewasser geeignet sind, ist der fermentativen Kreativität kaum eine Grenze gesetzt, solange die Zutaten gesundheitlich unbedenklich sind. Die Devise hier lautet “einfach ausprobieren”, im schlimmsten Fall entwickelt sich keine Gärung, oder es schmeckt nicht. Andernfalls freuen sich Blumen und Grünpflanzen über eine Extraportion natürlicher Hefe.
Inaktive Hefe und ihre Lagerung:
Bezüglich der Lagerung von Hefewasser gibt es im Internet und gewissen Portalen unterschiedliche Meinungen: manche halten das Hefewasser bei nicht-Gebrauch im Kühlschrank, manche schütteln und entlüften es während der Inaktivität und andere stellen es lichtgeschützt in einen Schrank.
Mein Weg – oder my evidance based practice:
Seit Jahren beherberge ich all meine Hefewasser, wenn ich sie nicht nutze entweder in meiner Speisekammer oder in einen Küchenregal ohne direkte Sonneneinwirkung. In dieser Zeit werden sie weder geschüttelt noch entlüftet. Während der Inaktivität befinden sich nur wenige Früchte in der Flasche, so beuge ich einen zu großen Druck vor. Die kühlere Umgebung verhindert, dass der Gärprozess weiter voranschreitet und beugt unerwünschten Reaktionen vor: Schimmelbildung, Übersäuerung und unangenehmen Geruch. Die inaktive Flüssigkeit kann so problemlos mehrere Monate bis Jahre gelagert werden. Dies macht wilde Hefe so attraktiv:
Meine Hefewasser waren bzw. sind zum Teil mehrere Tage, Wochen oder Monate inaktiv. Zu meinem Ensemble gehören Rosen, Cranberry und Apfel Hefewasser. Weitere Hefewasser kommen und gehen – je nach Bedarf und Saison, z.B. Spargel, Blutorangen, Rhabarber oder Wildkräuter Hefewasser.
Aktivierung von natürlicher Hefe:
Von altem Fermentwasser werden 100 bis 200g zurückgehalten, um den neuen Ansatz zu impfen. Schütteln nicht vergessen, um den wertvollen Hefesatz zu erhalten. Mit der Zeit nimmt das Hefewasser an Triebkraft und wertvollen Hefekulturen zu.
Basis Anleitung Auffrischung:
Altes fermentiertes Gut entfernen. In diesen Früchten steckt Triebkraft und sie können für ein Hefewasser- oder Sauerteig Starter verwendet werden.
Die Auffrischung des Hefewassers kann in der alten Flasche vorgenommen werden, solange diese noch sauber ist. Ich wechsel je nach Zustand und Gebrauch alle paar Monate die Flasche.
Tipp:
Wer sein Hefewasser länger als nur eine Frucht-Session behalten möchte hat drei Möglichkeiten. Die erste ist:
Ein zu fermentierendes Gut nehmen, welches das ganze Jahr über vorhanden ist. Oder…
Hefewasser Umzüchten:
Ist die Erdbeere Saison vorbei, ist das Handling beim Umzüchten wie bei der Auffrischung, nur statt der Erdbeeren können andere Früchte beigefügt werden wie Blaubeeren, Pflaumen, Kirschen, Trauben oder Johannisbeeren.
Von frischen zu getrockneten Blüten/Früchten:
Die dritte Möglichkeit ist, (frisches) altes fermentiertes Gut durch getrocknete Blüten und Früchte zu ersetzen.
Bei meinem Rosen Hefewasser habe ich nach über 2 Jahren die alten Blüten, die ich damals an meiner alten Schule gepflückt habe durch getrocknete Blüten aus der Apotheke ersetzt.
Hefewasser ist nicht nur zum Backen da:
Wenn die Temperatur wieder ansteigt ist eine prickelnde Limonade die ideale Erfrischung. In handelsüblichen Getränken sind aber oft zu viel Zucker und künstliche Zusätze enthalten. Eigene Limonade, ein Wellness-Shoot oder ein Aperitif sind mit Hefewasser sind nicht nur binnen kurzer Zeit gemacht sondern auch noch gesund.
Trinkvorschlag:
Rhabarber Hefewasser Shoot (Schnapsglas) morgens auf den nüchternen Magen trinken. Die für die Rotfärbung verantwortlichen Anthocyane (wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe) zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen und besitzen zahlreiche gesundheitsförderliche Eigenschaften.
Herrlich fruchtig schmeckt eine Edbeere-Minz Limo aus Erdbeer Hefewasser an heißen Tagen. Dazu Hefewasser pur oder mit Sprudel mixen, mit Minze dekorieren und eiskalt genießen.
Erfrischen sommerlich-herb schmeckt ein Ingwer-Zitronen-Kurkuma Fermentwasser. Es ist ein optimaler Durstlöscher und versorgt den Organismus gleichzeitig mit wertvollen Inhaltsstoffen der Zitrone sowie der Ingwer- und Kurkumawurzel.
Wer mag versüßt seine Limo mit Agavendicksaft, Honig oder anderen Süßmachern. Das Fermentwasser kann sowohl pur getrunken oder auch mit Wasser, Tee oder Frucht- und Gemüsesaft gemixt werden.
Weitere Verwendungs Tipps:
Das Hefewasser veredelt jede Vinaigrette, dadurch werden Blattsalate, Spargel, Gurken, Tomaten und Feta individuell und bekömmlich gewürzt – wie wäre es mit einem Himbeere-Zitronenthymian Hefewasser?
Pancakes sind der Inbegriff eines Frühstücks und schmecken direkt aus der Pfanne auch am Nachmittag – wem Ahornsirup zu old school ist, wird den Kaffee-Vanille Sirup aus Hefewasser lieben.
Natürlich kann man mit Hefewasser auch backen bzw. einen Teig ansetzen.
Hefewasser Starter:
Hefewasser und Mehl zu gleichen Teilen ansetzen, also 1:1
Alles gut verrühren, abdecken und warm führen
oder kalt führen
Salz-Hefewasser-Starter:
Alle Zutaten miteinander vermengen und abgedeckt bei Raumtemperatur 12 bis 16 Stunden reifen lassen, bis der Ansatz backfähig ist.
Hefewasser kann man auch mit Sauerteig Marvin, Lievito Madre oder auch mit anderen Sauerteigen mixen.
Beitrag vom 23. April 2019